3D-Sound steigert die Immersion von Bewegtbild erheblich — aber welches Format ist das richtige?

von Dirk Martens · 16. Mai 2019

Im Auftrag von ARTE hat House of Research die Entwicklungen auf dem Markt der 3D-Sound-Technologien untersucht. Sie haben Bedeutung für das Kino, den Markt der Heimelektronikgeräte und besonders für das Streaming von Bewegtbild: 360°-Video und Virtual Reality Anwendungen werden durch 3D-Sound erheblich immersiver. Die Studie basiert insbesondere auf Interviews mit wichtigen internationalen Marktteilnehmern und Experten aus Forschung und Industrie. Eine kurze Zusammenfassung daraus wurde nun als Kommentar in mebulive (Ausgabe 1/2019) des MEDIEN BULLETIN veröffentlicht und im Folgenden wiedergegeben.


Bereits 1927 wurde das erste Patent für binaurale Tonübertragungen erteilt, mit dem die Grundlagen zum 1933 von General Electric vorgestellten „Kunstkopf“ gelegt wurden. Damit sollten die Laufzeitunterschiede einer Schallwelle zwischen dem Erreichen des einen und des anderen Ohres abgebildet werden: Das von der Schallquelle entferntere Ohr wird vom Schall einen Sekundenbruchteil später erreicht, wodurch die Richtung der Schallquelle geortet werden kann. Jetzt, wo geeignete Endgeräte und Übertragungsmedien vorhanden sind, lässt sich eine dynamische Entwicklung im Bereich der Audiotechnologien beobachten. Mit Begriffen wie „Next Generation Audio“ (NGA), „3D Audio“ oder „Spatial Sound“ treten die verschiedenen Technologieanbieter im Markt auf. Sound ist damit nicht mehr nur auf der horizontalen Ebene „surround“ erlebbar, sondern es kommt die Höheninformation „oben/unten“ hinzu. Dadurch werden Schallquellen aus wirklich „jeder“ Richtung hörbar.
Der Markt für 3D-Audiosysteme hat sich rasch entwickelt. 2005 wurde Auro 3D vorgestellt, 2012 folgte dann die Einführung von Dolby Atmos. Auro Technologies kommt aus dem Musikbereich, hat aber durch seinen Partner Barco, dem belgischen Weltmarktführer von digitalen Kinosälen, Zugang zum Kinomarkt. Gegen die starke Stellung von Dolby im Kinomarkt konnte sich Auro zumindest in Europa jedoch bislang noch nicht durchsetzen: in Deutschland ist nur ein Kinosaal mit Auro 3D, aber über 50 mit Dolby Atmos ausgerüstet.

Kino hat sich schon bei früheren Surround-Technologien wie Dolby 5.1/7.1 oder 3D-Film als Treiber für den CE-Markt gezeigt. Das ist auch bei 3DSound- Technologien der Fall. Beflügelt wird diese Entwicklung durch 3D-Soundbars, die immersiven Raumklang ohne viele Lautsprecher im Wohnzimmer möglich machen. Bei der Lautsprecherwiedergabe von Filmton ist Dolby mit Atmos auch bei AVReceivern derzeit in der besseren Position.

Anders sieht es bei binauralen Produktionen aus, die über das Internet verbreitet und über Kopfhörer wiedergegeben werden. Hier ist dann zum Beispiel das „Head Tracking“ möglich, bei dem sich die Richtung der Schallquelle passend zur Kopfbewegung ändert. Sowohl Google als auch Facebook verwenden hierfür das „First Order Ambisonics“- Format (FOA). Es gilt zwar technisch und qualitativ nicht als „state-of-the-art“, ist dafür aber lizenzfrei. VR- und 360°-Produktionen wie sie zum Beispiel von ARTE zahlreich angeboten werden, die auch über YouTube, Facebook oder über VR-Brillen wie Oculus Rift genutzt werden sollen, kommen derzeit an FOA kaum vorbei.

In Konkurrenz dazu haben das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS), Qualcomm und Technicolor das 3D-Audioformat „MPEG-H“ entwickelt, das sowohl für VR, 360° und jegliche OTTVerbreitung, als auch für den Broadcast-Bereich ausgelegt ist. Durch Personalisierung können hiermit neue, interaktive Nutzungsszenarien geschaffen werden, etwa die Auswahl einer individuellen Tonfassung oder die Anhebung der Lautstärke der Dialogsprache.

Welche Formate sich in fünf oder zehn Jahren durchgesetzt haben werden, lässt sich derzeit schwer prognostizieren. Unternehmen stehen jedoch vor der Frage, auf welches Tonformat sie heute setzen sollen, wenn ihre Inhalte auch noch in einigen Jahren vermarktbar sein sollen.

Abhilfe verspricht das von der ITU bereits standardisierte Produktionsformat „Audio Definition Model“ (ADM), mit dem die Metadaten eindeutig, offen und lizenzfrei im Header des Broadcast Wave Files abgelegt werden. ADM bietet hundertprozentige Qualität, da es zwar größenreduziert aber nicht komprimiert speichert. Erst beim Export in das finale, frei wählbare Zielformat wird komprimiert. BBC, NHK und Fraunhofer setzen ADM bereits ein. In Zeiten unklarer Marktentwicklungen bietet eine solche formatunabhängige Produktion Investitionssicherheit für das eigene Bewegtbildrepertoire.

Der Beitrag ist als Kommentar bei MEDIEN BULLETIN / mebulive / Ausgabe 1.2019 erschienen und hier als PDF verfügbar.

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