Virtuelle Realitäten – Die empirische Seite der Medaille

VR ist ein Forschungsfeld, in dem House of Research zum Beispiel das ökonomische Potenzial von Wirtschaftsstandorten oder die Veränderungen auf dem Produktionsmarkt untersucht, aber auch nutzerorientierte Rezeptionsstudien durchführt.

Seine erste VR-Studie veröffentlichte House of Research bereits 2008. Am Beispiel von Second Life wurde gezeigt, wie sich Menschen in dieser virtuellen Welt individuell verhalten, welche Motive und Wünsche sie haben und wie sich hier eine neue Gesellschaft sozial organisierte. House of Research hatte in dieser Zeit das virtuelle Forschungsinstitut „HoR/SL“ errichtet und dort Tiefeninterviews mit den Bewohnern von SL und Fachgespräche durchgeführt. Das Kernstück der explorativen multimethodische Untersuchung waren Avatar-to-Avatar Tiefeninterviews, ergänzt von Sekundäranalysen, Angebotsanalysen und quantitativen Online-Befragungen.

Im Gegensatz zu MMOGs (Massively Multiplayer Online Games) war Second Life kein Spiel, denn es gab weder Spielziel noch Regeln: Sinn des virtuellen Lebens im Second Life war einfach das „Dasein“, zu kommunizieren, etwas zu erschaffen, Gemeinsamkeit mit anderen zu erleben. In seiner Universalität war es aber auch nicht mit anderen Role Playing Games vergleichbar.

Und hier konnte reales Geld verdient werden. Nachdem der Spiegel das Gerücht verbreitete, dass die Deutsch-Chinesin hinter dem Avatar „Anshe Chung“ über eine Million echte US-Dollar mit dem Verkauf virtueller Grundstücke verdient hätte, gab es kein Halten mehr: Viele große Firmen gingen ebenso ins SL wie Regierungseinrichtungen, NGOs, Universitäten und viele mehr.

Und wie im wahren Leben gab es positive und negative Seiten. Es gab vielfältige Kontakte zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kontinenten. Hinter der Maske ihres Avatars fiel das Kontaktaufnehmen leicht. Die selbstgestalteten Avatare konnten männlichen oder weiblichen Geschlechts sein, oder man ging als geschlechtsloses Pelztier herum („Furry“). Die meisten bevorzugten jedoch einen Avatar desselben Geschlechts wie man selbst, der dann nach klischeehaften Vorstellungen meist schöner, muskulärer oder jünger gestaltet wurde.

Menschen erfüllten sich hier ihre Träume, eröffneten vielleicht ein Geschäft oder wandelten nur umher, um mit anderen ins Gespräch zu kommen. Im wahren Leben an einen Rollstuhl gefesselte Menschen fanden hier eine Möglichkeit, sich wie andere ohne körperliche Einschränkung zu bewegen.
Mit Berichten über marodierende Nazis und vor allem über (reale und virtuelle) kinderpornographische Darstellungen wurde Second Life später dann genauso schnell in die mediale Verbannung geschrieben wie es von denselben Medien zuvor hochgejubelt wurde.

House of Research: Empirische Studien für Medien und Digitalwirtschaft

Second Life gibt es zwar noch immer, doch der Hype ist lange vergangen. Als Mitgründer des VRBB haben wir die immersiven Medien weiterhin fest im Blick, lies demnächst unseren Beitrag zu den Entwicklungen bei 3D-Sound-Technologien, die für VR-Anwendungen von ganz besonderer Wichtigkeit sind.